Abwarten, geduldig sein und die Dinge auf sich zukommen lassen, ist definitiv nicht meine Stärke. Vor allem dann nicht, wenn ich mich sorge. Dementsprechend war es für mich auch nicht leicht, nach den letzten Untersuchungen vom Kampfzwerg erstmal abzuwarten, wie er sich entwickeln würde. Mittlerweile ist er fast zwei Jahre alt und entwickelt sich ganz klasse. Wenn es nach meinem Mann ginge, würden wir es dabei belassen. Womit er vermutlich auch nicht unrecht hätte. Aber irgendwie kann ich meine Sorge, dass noch einmal etwas übersehen wird, nicht ganz abschütteln. Wieso das?

Neue Infos, unbestätigte Vermutungen

Durch eine liebe Mutter, die ich auf Instagram kennenlernen durfte, habe ich eine Gruppe zum Franceschetti-Syndrom/Treacher-Collins-Syndrom (TCS) bei Facebook gefunden und konnte mich endlich mit Leuten austauschen, die sich auskennen, entweder weil sie selbst oder ihre Kinder betroffen sind. Ich habe in unheimlich kurzer Zeit viele Tipps bekommen. So weiß ich jetzt beispielsweise, dass ein Sozialpädriatrisches Zentrum (SPZ) in unserer Nähe sich ein wenig mit TCS auskennt und dort nochmal gezielter auf die typischen „Baustellen“ in Verbindung mit diesem Syndrom geschaut werden kann.

Ich bekam den Tipp einen Schwerbehinderten-Ausweis zu beantragen, da Kinder mit einem Gendefekt wohl Anspruch auf 100% hätten. Ich bekam den Hinweis, dass es doch wichtig sei endlich klären zu lassen, ob sich der Verdacht Franceschetti-Syndrom bestätigt oder nicht. Ich bekam die Möglichkeit am jährlichen Treffen der Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Bekam Informationen zu speziellen Hörtests. Das alles stürmte auf mich ein und meine Gefühle schwankten zwischen Freude/Erleichterung sich endlich austauschen zu können und zeitgleich entstand eine große Unruhe doch ganz viel versäumt zu haben, was jetzt unbedingt nachgeholt werden müsste.

Neue, alte Ängste

Einige Dinge, die ich dort erfuhr, triggerten jedoch noch einmal alte Ängste. Als der Kampfzwerg nur ein paar Wochen alt war, war ich überzeugt, dass er nicht richtig Luft bekommt. Er atmete häufig mit offenem Mund, machte laute Atemgeräusche oder schnarchte. Beim Trinken an der Flasche musste er immer wieder absetzen um nach Luft zu schnappen. Das trug ich natürlich auch an meine Kinderärztin weiter, die sagte, ich könne ja nochmal zum HNO gehen. Der schaute aber auch nur einmal kurz in Nase und Rachen und sagte, es sei nichts auffälliges zu erkennen. Dazu noch der Standardsatz, es sähe aber nicht so aus, dass er schlecht Luft bekäme, den ich gefühlt von allen zu hören bekam, mit denen ich darüber sprach. Also bildete ich es mir vielleicht doch nur ein? Schließlich wurde er nicht blau, hatte keine Einziehungen und es war auch nicht immer so. Ein schlechtes Gefühl blieb trotzdem. In der Gruppe las ich dann von Kindern, deren Sauerstoffsättigung überwacht wurde oder die ebenfalls beim Trinken nicht richtig Luft bekamen und dahingehend behandelt wurden. Ich las von Eltern, die ernst genommen wurden und mir wurde ganz anders. Mich beschlich eine nachträgliche Angst und das Gefühl schon wieder Glück im Unglück gehabt zu haben. Ob die Sauerstoffsätigung des Krümels damals tatsächlich verringert war, weiß ich nicht, aber ein komisches Gefühl bleibt.

Weitere Untersuchungen

Auf Grund dieser Vorgeschichte, kann ich es vermutlich auch einfach nicht dabei belassen. Nachdem diese neuen Infos auf mich eingeprasselt waren, musste ich mich erstmal zur Ruhe ermahnen und sortieren, was in unserer derzeitigen Situation wirklich notwendig ist. Viel blieb ehrlich gesagt nicht übrig und auch diese Untersuchungen sind eher sicherheitshalber.

Ich ließ das Schielen abklären. Der Kampfzwerg machte super mit und es gab Entwarnung. So lange das Auge in der Lage sei, sich selbst wieder auf die Mitte zu fokussieren, sei keine Handlungsnotwendigkeit gegeben.

Außerdem rief ich beim SPZ in unserer Nähe an und erklärte, dass ich den Verdacht auf TCS gerne abklären lassen würde. Ich bekam einen Fragebogen zugeschickt, den ich ausfüllen und zurücksenden sollte. Daraufhin bekam ich Termine für die „nötigen“ Untersuchungen. Leider fand ich den Fragebogen für unseren bisherigen Weg etwas schwierig, denn einiges konnte ich nicht wirklich erklären. Ich ging irgendwie davon aus, dass es dann erstmal ein Gespräch mit einem zuständigen Arzt geben würde, bei dem das Kind angeschaut wird, wir unsere Geschichte erzählen könnten und im Anschluss bekämen wir erst Termine für Untersuchungen, die wirklich noch nötig sein. Oder eben nicht. Nun gut, vielleicht läuft es anders herum. Denn wir haben nun einen Termin für die neurologische Untersuchung im August und einen Termin für die heilpädagogische Untersuchung im Dezember.

Auch da war ich erstmal ein wenig enttäuscht; so lange warten. Erst überlegte ich, in einem anderen SPZ einen früheren Termin zu bekommen, aber ich machte es nicht. Sicherlich gibt es Kinder, die diese Untersuchungen nötiger haben und schließlich entwickelte sich der Kampfzwerg weiterhin gut.

Warum dann das alles?

Mag sich nun der geneigte Leser fragen: Warum Ärzte abklappern und mein Kind vielleicht unnötigen Untersuchungen unterziehen, es vielleicht sogar quälen, wenn ich jetzt ganz provokativ sein will?

Zum einen bezweifle ich, dass es eine Qual für mein Kind ist. Er ist, wie viele Kinder, neugierig und offen. Wenn er etwas partout nicht will, formuliert er das auf seine Weise schon sehr deutlich und dann wird er auch nicht gezwungen. Nicht von mir und bei irgendeinem Arzt werde ich das auch nicht zulassen.

Zum anderen finde ich es einfach wichtig, dass jemand, der sich mit TCS auskennt, einfach nochmal eine Einschätzung gibt und vielleicht auch genauer daraufhin weist, worauf man bei seiner Entwicklung achten muss (Stichwort Sprachentwicklung). Nicht so wie jetzt, wo alles irgendwie unter Generalverdacht steht. Na klar, weiß ich so ungefähr, was die Hauptbaustellen bei TCS sind, aber genauer wäre mir eben lieber.

Bei der ganzen Sache geht es ebenso um mich, wie um den Kampfzwerg. Darum, dass ich die Sicherheit brauche, dass nicht (schon wieder) etwas übersehen wird. Eines hat der Weg, den wir bislang mit dieser Verdachtsdiagnose gegangen sind, bei mir hinterlassen: ein gewisses Gefühl, den Einschätzungen der Ärzte nicht mehr 100%ig zu vertrauen, oft skeptisch zu sein, dass da nicht vielleicht doch was im Argen ist, was übersehen wird. Wie jedes Elternteil möchte ich das bestmögliche für mein Kind. Das bedeutet für mich eben auch abklärende Untersuchungen durchführen zu lassen, die dem Kind nicht wehtun oder anderen Schaden zufügen und dabei genau abzuwägen, was wirklich notwendig ist und was vernachlässigt werden kann.

Manch einer mag das anders sehen, hätte eine andere Herangehensweise, aber ich kann eben nur so handeln wie ich es für mich und das Kind (und da schließe ich auch meine Tochter mit ein) für richtig halte.

Herzlichst

Deine JennyPenny

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