Diesen Text hab ich bereits vor ein paar Monaten geschrieben, als der Kampfzwerg noch nicht in den Kindergarten ging. In gewisser Weise aktuell ist er trotzdem noch und deswegen möchte ich ihn dir auch nicht vornethalten.

Auf der Suche nach einem neuen Beruf zu sein, fühlt sich an, wie auf der Suche nach mir selbst zu sein. Es geht nicht nur darum, was ich künftig machen, womit ich mein Geld verdienen will. Es geht darum, zu ergründen, wer ich bin, wie ich mich durch die Mutterschaft verändert habe. Es geht darum, wie ich meinen Weg weitergehen will.

Verloren gegangen im Mama-Sein

Ich habe schon einmal beschrieben, wie sehr mich das Mama-Sein verändert hat und immer noch verändert. Vielleicht habe ich mich ein wenig darin verloren. Habe aus den Augen verloren, wer ich bin, was mich antreibt und was mich, neben den Kindern, noch glücklich macht. Gleichzeitig hab ich mich zu kaum einem Zeitpunkt so neu kennengelernt, wie zu genau dieser Zeit. Ich war aber auch gefangen in der Vorstellung, das „Nur Mama-Sein“ ganz schnell hinter mir lassen zu müssen, ganz schnell einen neuen Beruf finden zu müssen. Sich selbst wiederzufinden, zu erkunden, wo die Stärken und Schwächen der eigenen Persönlichkeit liegen, geht aber nicht im Eilverfahren. Vermutlich ist das sogar ein nie endender Prozess, denn Leben bedeutet nun mal Veränderung und mit diesen Veränderungen verwandeln auch wir uns. Um sich dabei nicht zu verlieren, braucht es eine sichere Basis, zu der wir immer wieder zurückkehren können – den Kern unserer Persönlichkeit und eine Heimat, ganz gleich wie diese aussehen mag.

So lange bleibst du zu Hause?

Warum also hetzen? Die letzten Jahre, die ich meinen Kindern gewidmet habe, war eine schöne Zeit, aber sie war auch verdammt anstrengend. Es hat Kraft gekostet ins Leben mit zwei Kindern reinzufinden. Es hat Kraft gekostet den Weg mit der Verdachtsdiagnose Franceschetti-Syndrom zu gehen. Es kostet Kraft so viel für andere da zu sein und dabei so wenig Schlaf zu bekommen. Warum sollte ich von dieser Kraftanstrengung gleich zur nächsten hetzen, nämlich zur Erlernung eines neuen Berufes. Weil die Gesellschaft das verlangt? Weil wir nur ein produktives Mitglied der Gesellschaft sind, wenn wir am Berufsleben teilnehmen? Weil Elternzeit immer noch so häufig als Zeit auf der faulen Haut liegend angesehen wird? Erst recht, wenn man sich tatsächlich drei Jahre gönnt – Gott bewahre! Ich will nicht polemisch werden. Ich will auf den Punkt bringen, was in mir das Gefühl hervorruft, mir eben diese drei Jahre nicht „gönnen“ zu dürfen, obwohl mir bei dem Gedanken, mich gleich in die nächste kräfteraubende Zeit zu stürzen, überhaupt nicht wohl ist.

Kräfte zehrende Baby-/Kleinkindzeit

Wie soll ich ein „produktives“, weil an der Arbeitswelt teilhabendes Mitglied der Gesellschaft sein, wenn ich noch so oft am Rande meiner psychischen Belastungsgrenze stehe? Wie soll ich einer geregelten Arbeit nachgehen, wenn ich nach wie vor froh sein kann drei Stunden am Stück zu schlafen und die restliche Nacht in 50 Minuten-Etappen schlafen muss? Oder wenn die Nacht um vier erstmal vorbei ist, weil der Kampfzwerg nicht weiterschlafen kann? Wenn er gegen sechs Uhr dann wieder den Dreh kriegt, müsste ich mich für die Arbeit fertig machen. „Geht alles,“, mag jetzt vielleicht der ein oder andere denken, „das Leben ist nun einmal kein Zuckerschlecken!“, aber ich kenne mich. Jetzt ins Berufsleben zu hetzen, führt nicht dazu „produktiv“ an der Gesellschaft teilzuhaben (was ich mit der Erziehung und Fürsorge für zwei kleine Kinder natürlich noch nicht geschafft habe. *Sarkasmus aus). Es führt dazu, weiterhin permanent über meine Grenzen gehen zu müssen und irgendwann ausgebrannt zu sein.

Auch wenn das Thema Selbstfürsorge in aller Munde ist, Hand auf’s Herz: Wer schafft es tatsächlich sich regelmäßig genügend Me-Time freizuschaufeln, wenn man hauptsächlich für die Kinder zuständig ist? Ich nicht. Irgendwie ist ja immer was anderes; Spieldates mit neuen Kiga-Freunden (die ja auch für mich gut sind, weil ich die anderen Mütter dann auch besser kennenlerne), Arztbesuche oder einfach der nie endende Haushalt, der erledigt werden muss – und dabei rede ich nur von den nötigsten Sachen. Es fällt eben immer was an.

Höhen und Tiefen

Bald geht aber auch der Kampfzwerg in den Kiga und die freie Zeit, die mir dann in Aussicht steht, fühlt sich wie ein Befreiungsschlag an. Früher dachte ich, das wäre genau mein Ding: zu Hause sein und die Kinder umsorgen. Natürlich liebe ich meine Kinder und möchte diese Zeit nicht missen. Möchte nicht missen, wie viele schöne Momente wir erleben, wie viel ich an ihrer Entwicklung teilhabe, wie wichtig ich ihnen bin. Dennoch ist es für mich auch eine unglaublich schwere Zeit gewesen. Die schlechten Nächte zehren an meinen Kräften und lassen meinen Geduldsfaden zu einem Punkt schrumpfen. Außerdem fällt es mir unglaublich schwer, mich abzugrenzen von den extremen Gefühlsausbrüchen, die zwei Kinder in der Autonomiephase eben so mit sich bringen. Wie den meisten anderen Müttern, war mir vor der Geburt meines ersten Kindes auch nicht klar, wie vereinnahmend Kinder sind. Klar wird uns wir uns das alles vorher erzählt, aber wie bei so vielem muss man diese Erfahrung erst selber machen. Ich wusste nicht, wie schwer es mir fallen würde, meine Zeit für mich einzufordern.

Was mich außerdem noch in meiner Entscheidung bestärkt, nicht gleich schon ins Berufsleben zu hetzen, ist die Betreuungszeit der Kinder. Anders als ein Elternteil, dass in seinen alten Beruf zurückkehrt und dann vielleicht nur eine halbe Stelle antreten kann, wäre das bei einer Ausbildung eben nicht so möglich. Den Kampfzwerg mit zwei Jahren schon für 45 Minuten in Fremdbetreuung geben, auch wenn er sich dort noch so wohl fühlt, fühlt sich für mich einfach nicht richtig an.

Kraft tanken und zu mir kommen

All diese Gedanken bestärken mich letzten Endes in der Entscheidung mir mindestens noch ein halbes Jahr „nur Mama-sein“ zu gönnen. Ein halbes Jahr, in dem ich wieder durchatmen kann, einmal wieder zu mir kommen und Kraft tanken kann, in Ruhe ergründen kann, welchen Beruf ich mir zukünftig vorstellen kann und mich in Ruhe schlau zu machen, wie der Weg dorthin aussehen wird. Dazu gehört aber auch, in Ruhe zu verarbeiten, was die letzten 1,5 Jahre an Höhen und Tiefen mit sich gebracht haben. Wer dann denken mag, dass ich faul bin oder mich vor der Verantwortung drücke, der soll das denken. Ich weiß, warum ich meinen Weg so gehe. Denn es ist mein Weg. Nur ich kann entscheiden, wie er für mich richtig ist!

Herzlichst

Deine JennyPenny