Meine große Tochter, die wohlbemerkt auch erst drei ist, ist schon so eine Marke für sich. Von Anfang an konnte es für sie eigentlich nicht genug Action geben. Immer wieder gerne erzähle ich davon, wie sie an ihrem gerademal fünften Lebenstag auf der Babyparty von Arm zu Arm wanderte, schlief und nicht glücklicher hätte sein können. Auch jetzt ist sie noch eine kleine Partyqueen und steht gerne im Mittelpunkt, wenn sie sich auf Geburtstagsfeiern z.B. erstmal die neuen Menschen angeschaut hat.

Eigentlich war von Beginn an klar, dass sie sich nicht zwingen lässt, irgendwas zu tun, was sie unter keinen Umständen möchte. Das startete im Grunde schon beim Stillen. Den Versuchen der Krankenschwestern sie fast schon unter Zwang an die Milchbar zu drücken, entgegnete sie mit viel Gebrüll und Widerwillen. Die Babyzeit über merkte man, bzw. ich von ihrem starken Willen noch nicht so viel, oder ich hab mir nicht so viel dabei gedacht. Spätestens jedoch seit sie mobil ist, ein Bewusstsein für sich als eigenständige Person bekommen hat und mit zunehmendem Alter immer selbstständiger werden möchte, wird mir dieser starke Wille immer wieder vor Augen geführt.
Nach wie vor, lässt sie sich zu nichts zwingen, was sie nicht möchte und überreden klappt nur mit guten Argumenten. Dass die Argumente aus ihrer Sicht gut sein müssen und nicht aus meiner, brauche ich vermutlich nicht zwingend erwähnen. Zwang ist in der Kindererziehung meiner Meinung nach zwar sowieso fehl am Platze, aber es gibt ja nunmal Situationen, in denen es nicht anders geht. Wenn Wunden gesäubert werden müssen, Medizin geschluckt werden muss oder das Kind davon abgehalten werden muss auf eine stark befahrene Straße zu rennen. Gerade bei letzterem muss es schnell gehen, da kann man nicht erst lange diskutieren warum das Kind jetzt auf die Straße rennen will und ob das eine gute Idee ist.
Auch bei zu großem Druck, wenn man sie zu etwas überreden möchte, macht sie dicht. Umgekehrt verhält es sich natürlich genauso. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist es fast schon unmöglich sie davon abzuhalten oder eben nur mit sehr, sehr guten Argumenten machbar. Doch auch dann, kann man davon ausgehen, dass sie noch mindestens einmal darauf zurückkommt.

Die Tatsache, dass sie immer – und oft auch mit aller macht – ihren Willen durchsetzen will, kann unglaublich anstrengend sein. Vieles, dass wir ihr (aus welchem Grund auch immer) gerade nicht erlauben können, wird erstmal in Frage gestellt. Ich glaube zwar, dass das in gewisser Weise bei allen Kindern so ist, aber die Vehemenz und Ausdauer, die meine Tochter dabei an den Tag legt, ist vermutlich nicht unbedingt „normal“. Und rette sich, wer kann, wenn sie sauer wird, weil gerade irgendwas nicht geht und sie auch nicht zur Einsicht bereit ist. Dann wird geschrien, weggerannt und gepoltert und für eine gefühlte, kleine Ewigkeit scheint sie unversöhnlich zu sein. Dann kann ich machen, was ich will, sie mag mich nicht anschauen, anfassen oder mit mir reden. Logisch, bin ich ja auch der Grund für ihre Wut. Da hilft nur ruhig bleiben. Manchmal, wenn ich selber nicht gut drauf bin, explodiere ich dann auch und meckere sie an, das macht aber alles noch viel schlimmer. Also Ruhe und Zuversicht atmen und immer wieder versuchen einen Zugang zur kleinen, wütenden Granate zu bekommen und irgendwann erreiche ich sie dann auch wieder. Nachdem der erste Zorn verflogen ist, kann ich ihr die Situation meist in Ruhe erklären und wir finden einen gemeinsamen Weg. Kompromisse sind da bei uns das A und O.
Eine Zeit lang wusste ich nicht, wie ich diesen Wutanfällen entgegentreten sollte, habe alles möglich ausprobiert, auch das „Gefühle wiederspiegeln“, von dem ich bei Gewünschtestes Wunschkind gelesen habe, half nicht. Bei dieser Methode spiegeln wir als Eltern/Bezugsperson dem Kind seine (Wut-)Gefühle, indem wir diese mit unserer Mimik, Gestik und Körperhaltung übernehmen, OHNE sich dabei über den Wutanfall lustig zu machen. Entweder bin ich eine totale Niete in dieser Methode (was ich mir nicht so recht vorstellen kann) oder sie ist einfach nichts für die Granate. Ich habe es nicht nur einmal ausprobiert, aber jedes Mal, habe ich dabei nur noch mehr Wut und Ärger hervorgerufen. Irgendwann hatte ich dann raus, dass es immer noch am hilfreichsten ist, wenn ich sie erstmal wüten lasse, aber nicht alleine lasse, sondern ihr mit meiner Anwesenheit einfach signalisiere, dass ich für sie da bin, auch wenn sie wütend auf mich ist. Kann ja immer sein, dass sich das nochmal wieder ändert, aber momentan fahren wir damit noch am besten.

Diese Willensstärke lädt gerne auch mal dazu ein zu vergessen, dass sie eben erst drei Jahre alt ist und noch nicht alles alleine entscheiden kann oder sollte. Lange Zeit hab ich ihr möglichst oft die Gelegenheit gegeben selbst zu entscheiden, wenn zwei Möglichkeiten zur Auswahl standen (z. B. ob ich sie anziehen soll oder ob sie das selber machen möchte) und fahre da auch jetzt oft noch gut mit. Ich merke aber so langsam, dass bei aller Willensstärke, die sie hat, sie dennoch ihre Grenzen einfordert. Es ist eben auch verunsichernd auf einmal so viel alleine zu können und eigene Entscheidungen zu treffen. Das verlangt von mir auch einiges an Konsequenz, weil ich gerne noch dazu tendiere, nachzugeben, was oftmals aber gar nicht so hilfreich ist. Oft weiß sie nämlich gar nicht so richtig, was sie will (sie ist ja auch erst drei, das ist für manchen Erwachsenen ja noch schwer) und dann ist es einfach nicht angebracht ihr die Entscheidung zu überlassen. Seit Mitte letzter Woche ist es bspw. so, dass sie wieder vom Papa in den Kiga gebracht werden will, bis Weihnachten, was auch vollkommen ok ist. Jetzt sagt sie allerdings morgens manchmal, dass ich sie in den Kiga bringen soll. Wenn der Papa dann aber weg ist und ich sie tatsächlich hinbringe, ist die Trauer ganz groß, alles schon ausprobiert. Also wird dann ganz klar gesagt, „Wir hatten eine Absprache, mit der warst du einverstanden und dabei bleiben wir jetzt auch.“, und es funktioniert.

Es ist nicht immer leicht ein so willensstarkes Kind zu haben. Es erfordert viele Nerven, Kraft und eigene Stärke, Ruhe, Geduld und Kompromissbereitschaft und doch könnte ich mir für meine Tochter nichts besseres wünschen. Es ist immer gut zu wissen, was man will und die Stärke zu haben, diesen Willen auch durchsetzen zu können. Da diese Willensstärke ein fest verankerter Charakterzug zu sein scheint, bin ich mir sicher, dass sie ihren Weg finden und gehen wird. Natürlich werde ich ihr dabei immer zur Seite stehen, ihr helfen und sie leiten, wenn sie es will oder braucht. Ich liebe sie so, wie sie ist: dickköpfig, impulsiv, willensstark und mutig, liebevoll, großzügig, hilfsbereit und noch so vieles mehr. Sie ist mein kleines Mädchen, eine der Lieben meines Lebens (auch wenn das jetzt furchtbar kitschig klingen mag) und ich bin so gespannt, wohin ihr Weg sie noch führen wird.

Herzlichst
Deine JennyPenny