Kinder bringen einen oft an die Grenzen, an ihre und auch an unsere. Und nicht selten stellt sich dann Hilflosigkeit ein. Bei mir und der Granate besonders abends, oder nachts. Tagsüber testet sie natürlich auch ihre Grenzen aus und bekommt auch immer mal wieder Wutanfälle, aber dann kann man sie meistens noch einigermaßen gut erreichen. Nicht immer sofort, manchmal muss ich auch erst herausfinden, was sie eigentlich möchte und wie ich sie wieder beruhigen kann, aber ich erreiche sie.

Nachts sieht das leider meistens anders aus und ich weiß nichtmal wirklich, ob das Wutanfälle sind oder der Nachtschreck ist oder ob sie einen Albtraum hatte. Ganz oft wird sie wach und ist dann noch relativ ruhig, erst wenn ich neben ihrem Bett sitze und sie frage, was sie möchte, geht das Geschrei los. Dann trage ich sie meistens ganz schnell rüber ins Wohnzimmer, damit der Krümel, mit dem sie sich ein Zimmer teilt, nicht wach wird. Das ist in den nächsten zehn bis zwanzig Minuten aber auch das höchste der Gefühle, was ich sie noch anfassen darf. Sie akzeptiert es zwar, dass ich sie auf meinen Schoß setze, aber wehe, ich lege meine Arme um sie, dann wird ihr Geschrei nur noch schlimmer. Das erinnert mich immer sehr an den Nachtschreck, dieses um sich schlagen und nicht angefasst werden wollen. Allerdings habe ich nicht das Gefühl, dass sie nicht ansprechbar ist, wie es für den Nachtschreck typisch wäre. Trotzdem kann sie mir nicht sagen, was sie hat. Vermutlich, weil sie es selber nicht weiß. Manchmal verlangt sie nach Apfelsaft oder Milch und in ganz seltenen Ausnahmefällen, bekommt sie das dann auch. Ihr Geschrei, wird natürlich nicht besser, wenn ich ihr den rettenden Apfelsaft versage. Seit mein Mann und ich ihr an einem Abend aber mal ganz deutlich vorgebetet haben, was nachts getrunken werden darf (Blubberwasser) und was nicht (Apfelsaft oder Milch!), hat sich das zumindest ein wenig gebessert. Klar, versucht sie es immer mal wieder, auch mit dicken Kullertränchen, aber da beruhigt sie sich meist ganz schnell wieder. Im Gegensatz zu eben jenen Schreianfällen, denn da hilft eigentlich so gar nichts.

Besonders schlimm wird es, wenn sie schon bei uns im Bett liegt und mein Mann sie dann anspricht, dann dreht sie so richtig auf. Nachts akzeptiert sie – bis auf einige Ausnahmefälle, die vorher klar abgesprochen werden müssen – sowieso eigentlich nur mich, also ist ihre Reaktion eigentlich nur die logische Konsequenz. Trotzdem kann es einen in den Wahnsinn treiben. Wir sind auch nur Menschen und gerade nachts, wenn mein Mann am nächsten Tag zur Arbeit muss und ich als ihre einzige Ansprechperson in einer gewissen Verpflichtung stehe, sie möglichst schnell zu beruhigen, ist die Hilflosigkeit und Ungeduld ein schnell erscheinender Gast. Auch wenn wir wissen, dass es so gar nichts bringt, kommt dann oftmals der obligatorische Satz a la „Jetzt beruhig dich doch mal!“, „Schrei bitte nicht so!“. Das einzige , was wir damit erreichen ist, dass sie sich dann den Mund zuhält. Dann weicht die Ungeduld einem großen Mitgefühl und Traurigkeit, weil ihr anscheinend so gefangen ist in ihrer Schreierei, dass sie diese nicht abstellen kann, auch wenn sie das möchte. Anfassen darf ich sie dann oft trotzdem nicht. Das sind furchtbare Momente für mich. Meine kleine Maus so außer sich zu sehen und nichts tun zu können/dürfen, außer ruhig zu bleiben und einfach da zu sein.

Irgendwann nach 20 Minuten ebbt der Schreianfall dann so langsam von alleine ab oder in seltenen Fällen, kann man sie mit einer ganz besonderen Geschichte wieder in unsere Realität zurückholen. Dann darf ich sie endlich trösten, sie drücken und mit ihr kuscheln. Und wir können, wenn der Kampfzwerg wie durch Zauberhand von der Brüllerei nicht geweckt wurde, endlich weiterschlafen. Das Kuriose ist, und das passt dann doch sehr zum Nachtschreck, dass sie sich am nächsten Morgen kein bisschen an diese Schreiattacken erinnern kann. Das ist bei „Bockbrüllerei“ anders, das haben wir schon ein paar Mal festgestellt.

Momentan treten diese Schreianfälle zum Glück selten bis gar nicht mehr auf. Die letzten zwei Nachtschrecken (?) hatten wir vor ca. zwei Wochen. Da konnten wir aber auch deutlich merken, dass sich irgendwas bei ihr wieder veränderte. Sie erzählte auf einmal anders, ausführlicher, man konnte sie auch besser verstehen und war auch verständiger, wenn man ihr Sachen erklärte.
Ähnliche Schreianfälle erleben wir momentan mit dem Krümel leider auch. Bei seiner Hand-Mund-Fuß- Erkrankung hat er sehr gelitten und vor allem nachts, wenn keine Ablenkung da war und er aus dem Schlaf aufwachte und ihm der Mund einfach nur wehtat, waren seine Schmerzen so allumfassend, dass 20 Minuten nur geschrien wurde (leise weinen können beide Chaoskinder nicht). Ebenso ist es, wenn er zahnt. Anders als die Granate, findet er danach aber nicht so leicht in den Schlaf zurück. Immer wieder wird er halb wach und weint ein wenig, wälzt sich ständig hin und her, schläft einfach nur furchtbar unruhig und ohne mich an seiner Seite schonmal gar nicht.

Auch wenn die Hilflosigkeit in solchen Nächten weiterhin ein enger Vertrauter ist, kann ich mittlerweile meistens schon besser damit umgehen. Je nachdem wie groß das Schlafdefizit meinerseits schon ist und wie stressig der anstehende Tag wird, komme ich mit der Situation gut oder schlecht klar. Toll ist das natürlich nie, als Elternteil möchte man seinen Kind ja alles Leid ersparen und dementsprechend schwer sind solche Episoden auch auszuhalten. Ein wenig tröstet es mich, dass es zum Großwerden sowohl für die Kinder als auch für uns Eltern nunmal dazu gehört und solche Erinnerungen mit der Zeit verblassen.

Herzlichst
Deine JennyPenny