Nach der Geburt des Krümels hatten wir mit der Verdachtsdiagnose erstmal einiges zu verdauen, aber auch zu regeln. Arzttermine und die Überlegungen, wie es weiter gehen würde, beherrschten meine Gedanken. Da kann man Steine, die einen noch zusätzlich in den Weg gelegt werden eigentlich nicht gebrauchen. Dank der deutschen Bürokratie kann man sich allerdings darauf verlassen, dass genau das einem noch zusätzlich das Leben schwer macht.
Die Steine, die uns die Beihilfe in den Weg legte, waren rückblickend betrachtet eigentlich ziemlich klein, was einem in dem Moment des Geschehens natürlich nicht so vorkommt. Doch von Anfang an:
Da es sich bei dem Franceschetti-Syndrom um einen Gendeffekt handelt, war uns anfänglich eigentlich ziemlich klar, dass wir eine Genanalyse durchführen lassen wollen, um sicherzugehen, ob es nur ein Verdacht ist oder ob dieser sich tatsächlich bestätigt. Mein Mann ist Lehrer und deswegen sind die Kinder über ihn privat krankenversichert und die Beihilfe übernimmt zusammen mit der privaten Krankenversicherung (PKV) die Kosten für Ärztebehandlungen, Medikamente usw. Da wir schon vermuteten, dass eine solche Genanalyse nicht ganz billig sein würde und nicht immer ganz klar ist, was die Beihilfe übernimmt, wollten wir zunächst bei der Beihilfe nachfragen, ob sie für die Kosten aufkommen würden. Natürlich war es ziemlich sinnlos bei der Service-Hotline anzurufen, denn wie so oft, verwiesen die mich auf die für uns zuständige Sachbearbeiterin. Doch auch da ging telefonisch gar nichts, denn ich sollte eine schriftliche Anfrage stellen, mit Stellungnahme des behandelnden Kinderarztes. Nachdem ich die Anfrage samt Statement der Kinderärztin zur Beihilfe geschickt hatte, war ich erstmal vorsichtig optimistisch gestimmt. Das hätte ich mir allerdings sparen können, da die Sachbearbeiterin nicht in der Lage war über diesen Fall zu entscheiden. Stattdessen sollten wir nun noch eine Schweigepflichtsentbindung unterschreiben (weil sie den Fall an den zuständigen Amtsarzt weitergeben wollte) und einen Kostenvoranschlag für die Genanalyse einreichen. Unsere Kinderärztin und ich waren leicht verstimmt – ich natürlich noch mehr als sie. Unverständnis herrschte bei uns beiden, denn sie sagte ganz klar, dass es bei einem Kassenpatienten überhaupt keine Diskussion darüber geben würde, ob die Kosten für diese Analyse übernommen würden, da es eine medizinisch indizierte Untersuchung sei. Hier sieht man mal wieder, dass es nicht immer von Vorteil ist, privat krankenversichert zu sein, aber das ist ein Fass, das ich jetzt nicht zu öffnen gedenke.
Jedenfalls blieb es dabei auch erstmal. Ich hatte keinen Nerv mich damit auseinandersetzen, zumal die Behandlungen vom Krümel auch ohne eine endgültige Bestätigung der Diagnose Franceschetti-Syndrom übernommen wurde. Mittlerweile habe ich den Kostenvoranschlag eines Gen-Labors. Wenn wir jetzt eine Entscheidung getroffen haben, ob wir die Diagnose jetzt schon bestätigt haben wollen, oder ob wir diese Entscheidung dem Kampfzwerg einmal überlassen, wenn er alt genug ist, sehen wir wie das weitergeht.

Die PKV leistete sich da schon einen größeren Klopper, der erst mein Herz vor Aufregung und Sorge aus der Brust springen ließ und dann das Löwenmutter-Gen in mir aktivierte. Natürlich kam der Grund für die Aufregung am Wochenende, genauer gesagt Samstags. Zwei Briefe von der PKV, die auch eine gesetzliche Krankenversicherung anbietet. In dem ersten Brief wurde uns unglaublich höflich mitgeteilt, dass sie auf Grund der Verdachtsdiagnose unseren Sohn nicht in der PKV aufnehmen könnten. BAM! Einfach so. Im zweiten Brief wird auf unglaublich schleimige Art davon geschwafelt, dass ein Kinder ein Geschenk des Himmels sei und man deswegen ja nur das Beste für sie wolle und ihre gesetzliche Krankenversicherung daher genau das Richtige für uns sei. Was zum Teufel? Wer wollte uns da eigentlich verarschen? Den zweiten Brief warf ich sofort weg, den ersten nahmen wir uns nochmal genauer vor und dann begann die Grübelei. Was würde jetzt passieren? War das überhaupt rechtens? Was konnten wir tun? Am Wochenende natürlich nicht viel – clever, clever! Wir ärgerten uns nicht nur ein Loch in den Bauch, wir waren fassungslos. Und sofort begann mein Mann nachzuforschen und sich mit seinem Vater zu beratschlagen. Glücklicherweise fanden wir dabei heraus, dass die PKV kein Recht hatte, den Kampfzwerg abzulehnen – sofern einer von uns länger als drei Monate der PKV angehörte. Da wollte uns also tatsächlich einer verarschen. Meine Verärgerung über diese Dreistigkeit hatte am Sonntag richtig schön Zeit zu gären und montags rief ich gleich den für uns zuständigen Versicherungsberater an. Glücklicherweise war der im Urlaub und ich musste meine Beschwerde an seine Urlaubsvertretung richten. Warum glücklicherweise? Weil ich unseren Versicherungsvertreter eigentlich ganz nett finde und bei einer, mir vollkommen fremden Person weniger Hemmungen habe meine Verärgerung zum Ausdruck zu bringen. Ich schilderte der armen Urlaubsvertretung also die Sachlage und das wir genau wüssten, dass es jeglicher rechtlichen Grundlage entbehre unseren Sohn von der PKV auszuschließen. Die Urlaubsvertretung blieb natürlich freundlich, musste sich das Ganze erstmal genauer ansehen und rief mich kurze Zeit später zurück. Sie entschuldigte sich vielmals und behauptete, dass es da einen technischen Fehler mit dem Computersystem gegeben haben müsse und das unser Sohn natürlich über meinen Mann privat versichert sei. Natürlich glaubte ich ihr die Ausrede mit dem technischen Problem keine Sekunde, trotzdem bedankte ich mich für die Klärung der Sachlage und regte mich heimlich weiter auf.
Klar, wollen die Geld sparen und das Einzelschicksal einer Familie interessiert die nicht im Geringsten. Mit Sicherheit wäre es dem Kampfzwerg in der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht schlechter gegangen, aber es geht mir hierbei auch ums Prinzip. Man kann es ja mal versuchen, vielleicht sind die so blöd und schlucken das, dann müssen wir nicht dafür zahlen. Ich finde das eine absolute Unverschämtheit. Vermutlich ist es naiv von mir zu denken, dass sich Krankenversicherungen für das Wohl des Einzelnen interessieren. Das heißt, das stimmt nicht so ganz. Solange der Einzelne gesund und fit ist, ist alles in Ordnung, erst wenn man krank wird oder ist, sieht das Ganze schon anders aus. Ja, ich bin mir darüber im Klaren, dass es uns in Deutschland – im Vergleich zu anderen Ländern – unglaublich gut geht, was die Krankenversicherung angeht. Dennoch zeigt sich hier ganz deutlich: Geld regiert die Welt und wer krank ist, hat eben Pech gehabt. Und das die Angehörigen vielleicht andere Sorgen haben als sich mit der Krankenversicherung rumzuschlagen, interessiert auch niemanden. Traurig!

Herzlichst
Deine JennyPenny