Vorgestern habe ich davon berichtet, wie ich mit der Willensstärke meiner Kinder umgehe. Dass ich Kompromissbereit und flexibel in meiner Denkweise sein muss. Dass ich versuche, sie möglichst viele Entscheidungen selber treffen zu lassen. Wie das dann genau für uns aussieht, kannst du jetzt weiterlesen.

Abgemacht ist abgemacht

Wir alle kennen das vermutlich. Da steht das Kind dort und will mit ganzem Herzen etwas bestimmtes haben und muss sich dann aber entscheiden, weil beides eben nicht geht. Der Granate oft die Entscheidung zu überlassen, bedeutet für mich eben auch, dass sie lernen muss, mit ihren Entscheidungen zu leben, auch wenn sie plötzlich nicht mehr so begeistert davon ist. Hier ein kleines Beispiel:

Im Kindergarten gibt es jeden Donnerstag ein Angebot zur musikalischen Frühförderung, von uns Musikschule genannt. Relativ am Anfang, noch in der Eingewöhnung, hat sie eine Probestunde gemacht und war total begeistert. Da sie dann aber auf einmal nicht mehr so lange bleiben wollte, haben wir sie nicht dafür angemeldet. Zum Jahresanfang bestand wieder die Möglichkeit die Kinder anzumelden und als ich der Granate (vor den Ferien) davon erzählte, war sie total begeistert, hüpfte auf der Stelle und rief immer wieder „Ich geh zur Musikschule!“. Damit war die Sache entschieden, im neuen Jahr würden wir sie zur Musikschule anmelden. Nach den Ferien sah sie das allerdings ganz anders, als ich sie fragte, ob ich sie anmelden soll. Sie wollte nicht, sah nur, dass sie dann länger bleiben, länger von mir getrennt sein müsse. Ich war erst ratlos und hab nichts dazu gesagt, dennoch war klar, dass sie sich hier selbst im Weg stand. Einen Tag habe ich das Thema Ruhen lassen und dann beschlossen „Abgemacht ist abgemacht!“, sie wollte unbedingt zur Musikschule, also wird sie jetzt auch angemeldet. Und siehe da, als ich ihr einen Tag später erzählte, dass ich die Anmeldung abgebe und sie dann ab nächster Woche zur Musikschule gehen darf, war sie wieder da, die Begeisterung.

Natürlich machen wir das nur bei Sachen, von denen wir wissen, dass sie ihr eigentlich Spaß machen. Wir würden sie nie zu etwas überreden, bei dem sie sich nicht gut fühlt oder gar Angst hat. Es ist nicht mein Bestreben, sie jetzt schon für die Welt der Großen abzuhärten, aber ich glaube schon, dass sie mit ihren drei Jahren so langsam lernen kann sich eben an das zu halten, was man sagt. Dass das nicht immer klappt und umsetzbar ist, ist mir vollkommen klar. Auch hier verfolge ich keine starren Regeln, sondern entscheide immer wieder individuell, ob sie mit der – von ihr – getroffenen Entscheidung letztlich gut leben kann. Genauso gehört es für mich aber auch dazu, abschätzen zu können, ob sie die Tragweite einer Entscheidung schon versteht. Ist dies nicht der Fall, trefffen wir gemeinsam eine Entscheidung oder ich treffe diese für sie.

Ohne Rücksicht auf Verluste eigene Ziele verfolgen – genaus das nicht!

Vor einiger Zeit lief auf Vox eine Reportage, die eine Gruppe von Kindern in den verschiedenen Lebensaltern begleitete. In die Folge mit den Dreijährigen zappte ich zufällig rein und blieb hängen. Dort wurde dann ein Versuch durchgeführt, in dem es ums Teilen ging. Die gesamte Gruppe bekam für einen Vormittag ein elektrisches Auto (diese Dinger zum Reinsetzen und selber fahren für Kinder) zur Verfügung gestellt. Ohne Einteilung der Erzieherinnen durften die Kinder mit dem Auto spielen. Ziel dieses Versuchs war es, zu sehen, wie unterschiedlich die Kinder mit einer solchen Situation umgingen. Ob es Kinder gab, die das Auto sofort besetzten und auch nicht mehr freiwillig so schnell hergaben, welche Kinder für eine gerechte Einteilung plädierten oder ob Kinder dabei waren, die sich komplett zurückhielten. Wenn ich mich recht entsinne, war ein ebenfalls willensstarkes Mädchen in der Gruppe, die sich beinahe sofort hinter das Steuer des Autos setzte und dieses auch so schnell nicht mehr räumte. Auch nicht, als starke Gegenwehr von manchen anderen Kindern kam. Ich will gar nicht über das Kind oder über ihre Erziehung urteilen, trotzdem hatte diese Situation einen etwas faden Beigeschmack für mich. Denn willensstark zu sein, heißt für mich noch lange nicht rücksichtslos zu sein oder egoistisch nur seinen eigenen Willen durchdrücken zu wollen. Auch willensstarke Kinder können teilen oder einen Sinn für Gerechtigkeit haben. Vielleicht habe ich bei der Granate Glück, da sie irgendwie schon immer sehr sozial war und gute Antennen dafür hat, ob jemand glücklich ist oder nicht. Trotzdem war (und ist) es mir immer wichtig sie dafür zu sensibilisieren, dass es von Vorteil sein kann zu teilen und, dass andere Menschen eben auch eigene Wünsche und Bedürfnisse haben, die es zu berücksichtigen gilt. Hierfür kann Willensstärke aber auch von Vorteil sein, denn was bedarf schon größerer Anstrengung als seine eigenen Bedürfnisse auch mal zu Gunsten anderer zurückzustellen?!

Meine willensstarken Kinder sind ein Segen für mich

Am Ende des Tages ist es ganz schön anstrengend Kinder zu haben, die genau wissen was sie wollen und das auch immer so umsetzen wollen. Für ihren späteren Weg ist das aber durchaus vorteilhaft. Genau zu wissen, was sie wollen und auch die Stärke haben ihre Ziele zu verfolgen, ist gerade in unserer heutigen schnellen Gesellschaft eine gute Eigenschaft. Auch mich als Mensch hat es gestärkt. Konsequent zu sein fällt mir nicht immer leicht, meine Chaoskinder – vor allem die Granate – brauchen dies aber von Zeit zu Zeit. Einzuschätzen, wann Konsequenz notwendig oder vorteilhaft ist und wann ich mal ein Auge zudrücken kann, ist dabei für mich die große Herausforderung.

Egal ob willensstark oder nicht, ob konsequent oder locker, jede Elternschaft und jedes Kind bringt seine ganz besonderen Herausforderungen mit sich. Und was wäre die Elternschaft und das Leben mit Kindern ohne Herausforderungen?

Herzlichst

Deine JennyPenny