Wie so viele andere Babys auch, hatte der Krümel Probleme mit den Tränenkanälen. Bereits im Krankenhaus begann ich also schon meinem kleinen Sohn die Augen auszureiben, jeden Tag, mindestens zwei Mal. War es am Anfang nur ein wenig lästig, begann er sich mit zunehmendem Alter auch gegen diese Prozedur zu wehren und ich konnte ihn durchaus verstehen. Es nutzte jedoch alles nichts. Seine Augen waren meist so stark verklebt, dass ich seine Wimpern, bzw. Augen oft für einen kurzen Moment mit einem feuchten Wattepad abdecken musste, damit der Schmodder aufweichte. Nicht schön und durch seine Gegenwehr wurde die Prozedur auch für mich immer nerviger.
Als es nach einem halben Jahr immer noch nicht besser wurde, ging ich zum Arzt. Zum einen als Routinecheck, was seine Augen betraf, aber auch, weil Tränenkanal-Probleme auch nicht untypisch für das Franceshetti-Syndrom sind. Da der Augenarzt mit seiner normalen Untersuchungstechnik nicht genau erkennen konnte, wie es um die Tränenkanäle bestellt war, wurde für uns ein Termin in einer Augenklinik gemacht. Dort sollte der Krümel dann in Narkose genauer untersucht werden. Uff – der erste Hammer. Noch kein Jahr alt und schon die erste Narkose, wegen einer Untersuchung. Zwei Monate später sollte dann der Termin in der Augenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover sein und mein Kopfkarussell begann sich zu drehen… Wie würde das Ganze ablaufen? Müsste ich nüchtern mit dem Krümel erscheinen? Würde er über Nacht dort bleiben? Gäbe es die Möglichkeit bei ihm im Zimmer zu bleiben? Immer und immer wieder kreisten diese Fragen durch meinen Kopf. Also griff ich zum Telefon und versuchte bei der MHH jemanden ans Telefon zu kriegen. Das stellte sich schonmal als nicht so einfach heraus. Als ich dann endlich jemanden erreichte und erklärte, was gemacht werden sollte (Untersuchung unter Narkose), bekam ich erstmal vor den Kopf geknallt, dass hier keiner in Narkose gelegt werden würde. Sowas würde der Oberarzt doch nicht machen ohne den Patienten vorher einmal gesehen zu haben. Das alles natürlich in einem Tonfall, der deutlich machen sollte, wie doof ich eigentlich war und was ich da denn für einen Quatsch erzählen würde. Als ich dann etwas ungehalten zurückgab, dass ich das ja nicht wissen könne, sondern vielmehr das so von meinem Augenarzt gesagt bekommen hätte, wurde die Stimme am anderen Ende der Leitung etwas freundlicher und erklärte mir den Ablauf. Das beruhigte mich ein wenig, denn wir würden erstmal nur zur Vorstellung dorthin fahren. Der Oberarzt der Sehschule würde sich den Krümel anschauen und dann entscheiden, ob eine Untersuchung in Narkose, eine OP oder sonstiges nötig sei. Klar, im Nachhinein logisch. Wenn man mit Schulterproblemen zur OP ins Krankenhaus überwiesen wird, bekommt man ja auch erstmal einen Vorstellungstermin bevor man unters Messer kommt.
Im Februar ging es dann also zusammen mit meinem Mann zur Sehschule der MHH. Die Granate durfte einen Urlaubstag bei Oma und Opa einlegen. Auf der Fahrt war ich noch recht ruhig, mich beschäftigte eher die Frage, wie der Krümel so mitmachen würde, ob er schlafen könne etc. pp. Als die Anmeldung im Krankenhaus unglaublich lange dauerte und wir immer noch warteten obwohl wir eigentlich schon längst in der Sehschule hätten sein müssen, wurde ich langsam unentspannt. Das stellte sich – in der Sehschule angekommen – als ziemlich überflüssig heraus, weil wir auch dort noch ziemlich lange warten mussten. Als wir endlich an der Reihe waren, ging es erstmal zur Orhtoptikerin, die sein Sehvermögen und sein Schielen testete. Dann nochmal warten und so langsam wurde es dem Krümel etwas zu blöd. Einfach in den Kinderwagen legen zum Einschlafen ging gar nicht und auf unserem Schoß wand er sich auch nur noch und wurde zunehmend nöckeliger. Also auf den Arm mit ihm und über den Flur laufen. Die ungewohnte Umgebung war zwar spannend, aber auch aufregend und aufregend macht müde, also schlief er irgendwann endlich auf meinem Arm ein und ich konnte mich wieder einigermaßen bequem hinsetzen. Blöderweise hatte er natürlich noch keine 15 Minuten geschlafen, als wir zum Oberarzt konnten. Jetzt ging es um seine Tränenkanäle. Zuerst wurde er von einer nicht gerade freundlichen Ärztin untersucht, der wir erstmal erklären mussten, was das Franceschetti-Syndrom überhaupt sei. Ihr Fazit in unseren Ohren: Warum wir uns so anstellen würden, das könne bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres dauern. Ob wir denn auch fleißig massieren und auswischen würden? Argh! Wir blieben freundlich und warteten auf den Oberarzt. Dem mussten wir dann auch erstmal noch das Franceschetti-Syndrom erklären, während er den Krümel untersuchte. Der war glücklicherweise noch ziemlich verschlafen und ließ die Prozedur ohne viel Gegenwehr über sich ergehen. Bei genauerer Untersuchung stellte sich dann heraus, dass ihm die unteren Tränenpünktchen (die Öffnung, durch die die Tränenflüssigkeit ins Auge abgegeben wird) fehlten. Eine kleine Mulde sei zwar sichtbar, aber wo nichts ist, könne man auch nichts hinmassieren, so die Aussage des Arztes. Eine OP wäre notwendig. Da jedoch das Risiko bestünde, dass durch das Franceschetti gar keine Tränenkanäle vorhanden sind, einigten wir uns darauf, dass er sich nach einem Facharzt umschaut, der die OP durchführen könne. Nicht sonderlich überrascht, dass eine OP nötig wäre, aber doch mit sehr gemischten Gefühlen, machten wir uns auf den Heimweg. Zwei Wochen mussten wir nun warten, bis dahin sollten wir Rückmeldung bekommen.Wie so oft bei mir, lief mein Kopfkarussell wieder auf Hochtouren und ich begann selbst schonmal Kliniken zu suchen, die sich eventuell mit sowas auskennen würden, bzw. sich auf Gesichtsrekonstruktionen spezialisiert haben.
Zwei Wochen nach dem Termin in der MHH klingelte allerdings nicht wie ersehnt das Telefon, also begann ich, dem Oberarzt hinterher zu telefonieren. Und das wurde dann tatsächlich ein ziemlich nerviges Hobby. Zunächst einmal war es unglaublich schwer überhaupt jemanden ans Telefon zu bekommen. Ich weiß nicht, wie oft ich anrief ohne überhaupt jemanden zu sprechen. Als ich dann endlich die Sekretärin des Oberarztes erreichte, musste ich das Ganze erstmal erklären und wurde dann vertröstet, dass sie ihn noch einmal erinnern und er sich dann melden würde. Die Tage vergingen ohne einen Rückruf, also rief ich erneut dort an. Wieder unzählige erfolglose Versuche, wieder erklären, was ich wollte, wieder das Versprechen, der Arzt würde sich melden. Ich glaube, dieses Ritual ging über vier Wochen so, immer wieder. Bis mir das so zum Halse raus hing, dass ich erstmal pausieren musste. Ich hatte keine Lust mehr, immer wieder die gleiche Geschichte runter zu leiern und wieder und wieder vertröstet zu werden. Sicherlich ist so eine vermutlich simple Tränenkanäle-OP bei einem Oberarzt nicht gerade ganz oben auf der Prioritätenliste, aber uns brannte die Sache trotzdem unter den Nägeln. Immerhin läge die Klinik, die die OP durchführen würde, vermutlich nicht gerade in der Nachbarschaft. Klar war, dass ich bei dem Krümel bleiben würde, aber die Maus müsste auch versorgt sein. Damit mein Mann sich aber um sie würde kümmern können, müsste das Ganze in den Ferien (weil Lehrer) über die Bühne gehen und je mehr Zeit verstrich, desto unwahrscheinlich wurde es, dass das so klappen könnte. Ich stellte also mein neues Hobby kurzfristig ein, denn meine Telefongeplagten Nerven verlangten nach einer Pause.
Und was soll ich sagen? Manchmal müssen die Dinge einfach genauso laufen, wie sie laufen. Denn innerhalb dieser Pause vom Oberärzte nerven, gab sich die Problematik mit den angeblich nicht vorhandenen Tränenpünktchen von ganz alleine. Die verklebten Augen wurden von Tag zu Tag besser und irgendwann war ein tägliches Auswischen der Augen überhaupt nicht mehr nötig. Die kleine Mulde, die der Arzt gesehen hatte, war anscheinend tatsächlich der Beginn der Öffnung der Tränenpunkte gewesen. Eine OP wurde hinfällig. Auch wenn ich anfangs noch etwas skeptisch war, waren wir natürlich erleichtert, dass sich dieses Problem von alleine gelöst hatte. Ärgerlich blieb die vielen unnötigen Gedanken, die man sich gemacht hatte und die Zeit, die man vergeudet hatte. Ich habe mir aber lieber umsonst Gedanken gemacht und bin dem Problem zeitig auf die Spur gegangen, als etwas zu verschlafen. Immerhin steht der Krümel noch ganz am Anfang eines hoffentlich langen und gesunden Lebens und da ist es einfach meine Aufgabe, mir alle möglichen Gedanken zu machen, um das Beste für ihn rauszuholen. Das gilt – Verdachtsdiagnose hin oder her – nicht nur für den Krümel, sondern auch für unsere Maus!
Von dem Oberarzt habe ich übrigens nie auch nur einen einzigen Rückruf erhalten…
Herzlichst
Deine JennyPenny
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