Nun war es endlich soweit: Mann und Hund waren jagen in McPomm und die Granate machte Urlaub bei den Großeltern. Wie meine Stillberaterin empfohlen hatte, wollte ich mich ein oder zwei Tage ganz dem Stillen widmen. Scheiß auf Körperpflege, Toilettengänge oder geregelte Mahlzeiten. Mein Arsch würde auf dem Sofa festwachsen und mein Rücken Schmerzen, aber der Krümel würde gestillt werden. So oft und so lange er möchte. Bis einer von uns aufgibt oder es endlich klappt. Letzteres wäre natürlich der wünschenswertere Ausgang, aber ich hatte da die vage Vermutung, dass es nicht ganz so einfach würde. Dennoch, die Hoffnung stirbt zuletzt und am Ende werde ich eine wahnsinns super tolle Stillbeziehung zu dem Krümel haben.

Der Stillmarathon beginnt und ich bin zuversichtlich den Krümel in den nächsten zwei Stunden zumindest annähernd satt zu kriegen. Zuversicht ist ja unerlässlich wenn man möchte, dass ein Projekt gelingt , also Ruhe und Zuversicht atmen. Nach einer Stunde und 45 Minuten verweigert der Krümel zum ersten Mal die Brust, ist aber weiterhin hungrig. Also bleibt mir wohl oder übel nichts anderes übrig als etwas Pre-Milch zu füttern. Danach geht’s beinahe sofort wieder an die Brust. Eine weitere Stunde vergeht bis er wieder die Milchbar verweigert. Wieder ist er nicht satt geworden und ich füttere nochmal die Mindestmenge Pre. So geht es im Grunde weiter, eine gefühlte Ewigkeit an der Brust und trotzdem nicht satt geworden, Verweigerung der Milchbar und wieder Zufüttern.
Mir graut ein wenig vor der Nacht, aber mitgehangen, mitgefangen. Meine Hebamme hatte mir empfohlen, mehrere Stillpositionen auszuprobieren, also wird nachts im Liegen gestillt. Dachte ich… der Krümel sieht das ein wenig anders. Schon am Tag hatte es sich gezeigt, dass er eigentlich nur eine Stillposition so richtig annimmt, was nachts zu einem kleinen Stilleklat führt. Der Krümel lässt sich nämlich unter keinen Umständen davon überzeugen, dass man sich auch im Liegen an der Milchbar bedienen kann. Auf gar keinen Fall! NiemalsN Lieber verhungert er oder brüllt das gesamte Haus zusammen. Nicht zum ersten Mal seit er auf der Welt ist, bin ich heilfroh, dass wir nicht in einem Mietshaus wohnen. Trotzdem treibt mir sein Gebrüll die Schweißperlen auf die Stirn und natürlich quäle ich mich aus dem Bett und ziehe um aufs Sofa um dort das Kind endlich an die Milchbar zu kriegen. Aber auch da habe ich die Rechnung ohne den Krümel gemacht. Der denkt nämlich nicht im Traum daran sich nach diesem Hickack überhaupt noch irgendwie in irgendeiner weise anlegen zu lassen. Also wieder die Pulle holen und zufüttern – argh… Nach dieser Aktion bin ich natürlich fix und fertig. Trotzdem ist an Schlaf erstmal nicht zu denken, was der Krümel natürlich mal wieder anders sieht und satt und friedlich einschläft. Das ganze wiederholt sich noch so zwei, drei Mal und am nächsten Morgen bin ich topfit ausgeschlafen. Nicht.

Zum Glück muss ich mich tagsüber um so gut wie nichts kümmern und kann schlafen, wenn der Krümel schläft. Wenn er denn nach fast zwei kurzen Stündchen endlich nicht mehr an der Milchbar rumhampelt und genauso erschöpft ist wie ich. Denke ich zu diesem Zeitpunkt noch. Dennoch hält die Motivation noch an – ein winziges bißchen zumindest… okay, um ehrlich zu sein, treibt mir dieser Stillzirkus auch jetzt schon die eine oder andere Träne in die Augen. Und die Zweifel wachsen immer mehr. Aber der zweite Tag ist noch nichtmal rum – aufgegeben wird nicht. So geht der zweite Tag eigentlich genauso weiter wie der erste. Ewig lange Stillmahlzeiten, von denen der Krümel aber nicht wirklich satt wird. Und weil er nicht richtig satt wird, schläft er natürlich auch nicht richtig. Mehr als ein 30 minütiger Powernap ist nicht wirklich drin. Also bekommt Mutti nicht die Erholung, die sie nach der Nacht eigentlich bräuchte. Und zu der Sorge, dass der Krümel nicht richtig satt wird, gesellt sich nun auch noch die Sorge, dass er nicht genug Schlaf bekommt. Gegen Abend wird der Stillwahnsinn immer schlimmer und ich beschließe ein paar der guten Vorsätze in den Wind zu schießen und dem Krümel und mir zumindest eine ruhige Nacht zu schenken. Also wird der Krümel diese Nacht zum Flaschenkind. Dann können wir den letzten Tag des Stillwochenendes ausgeschlafen angehen.

Am letzten Morgen ist die Skepsis größer als die Zuversicht, es graut mir vor einem weiteren Tag nur Stillen und ich weiß eigentlich gar nicht mehr, warum ich mir das noch antue. Doch jedes Mal wenn ich denke „Scheiß drauf, dann wird er jetzt halt endgültig zum Flaschenkind!“, kommt das schlechte Gewissen, haut mir ordentlich in die Magengrube und flüstert mir zu, womit Mütter überall indoktriniert werden: das Muttermilch eben das flüssige Gold der Mutterschaft ist und eine Alternative wirklich nur im allerletzten Notfall gegeben wird. Ganz zu schweigen davon, dass man immer das Gefühl hat, sich erklären zu müssen, warum das Kind denn nun die Flasche bekomme und im schlimmsten Fall mit mitleidigen bis vorwurfsvollen Blicken gestraft wird. Natürlich ist das nicht immer und überall so und es gibt zum Glück eine Reihe von Muttis, denen es genauso geht.

Was soll ich sagen… das Stillwochenende begann mit „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ und endete mit „Hoffen und Harren macht so manchem zum Narren“. Am letzten Tag war einfach klar, dass es an der Brust nicht klappen würde und auch, dass nach wie vor keiner so richtig wusste, woran es lag. Der Krümel ist also ein Flaschenkind, ebenso wie seine Schwester und ich bin sicher, dass er sich genauso gut entwickeln und eine genauso enge Bindung zu mir aufbauen wird wie seine Schwester. Die Erleichterung meine kleine Granate jetzt nicht mehr stundenlang vertrösten zu müssen während sich der Krümel an der Milchbar abmüht, ist eine riesige Erleichterung, denn Vorlesen ist momentan unglaublich langweilig – nicht genug Action, ist klar – und andere Sachen mit ihr spielen nicht wirklich drin. Um mein schlechtes Gewissen etwas zu beruhigen, beschließe ich wenigstens noch ein paar Wochen abzupumpen, aber auch hierbei ist mir irgendwie klar, dass ich das nicht wie bei meiner Großen sechs Monate durchhalten werde. Das ist aber auch in Ordnung, denn ich habe jetzt zwei Kinder und muss es irgendwie schaffen beiden gerecht zu werden.

Herzlichst
Deine JennyPenny