Wenn man zum ersten Mal Mutter wird, beschäftigt einen natürlich unweigerlich das Thema Stillen. Zumindest ging es mir so. Allerdings sah ich das Ganze recht locker. Klar würde ich den ersten Krümel stillen. Was sollte da schon schiefgehen, so schwierig könne das ja nicht sein. Also setzte ich mich auch nicht weiter mit dem Thema auseinander, außer, dass ich mir nichts Schöneres, Innigeres vorstellen konnte. Rückblickend vielleicht ein wenig naiv, aber wer hätte schon ahnen können, dass Krümel 1 und ich keine glückliche Stillbeziehung haben würden.
Im Kreißsaal fühlte sich alles noch recht gut an. Klar überraschten mich die Schmerzen beim Saugen, aber die Hebamme versicherte mir, dass das ja vollkommen normal sei. Es war zwar bei Weitem nicht so schlimm, wie bei Krümel 2, aber es wurde immer schlimmer. Ohne Stillhütchen funktionierte es leider gar nicht und mit Stillhütchen lutschte sie mir die Milchbar blutig. Es war so schlimm, dass ich am zweiten Tag die Reißleine zog und nach einem Fläßchen fragte. Ich hatte das Gefühl vor Schmerzen beim Stillen kotzen zu müssen. Die Milchbar wurde gelasert und die Krankenschwester empfahl mir, erstmal abzupumpen, bis die Haut sich wieder regeneriert hätte. Das war einerseits ein echt merkwürdiges Gefühl (ich sage nur Milchkuh), andererseits war ich vollkommen fasziniert von dem, was da aus mir rauskam und ich die kleine Maus trotzdem selbst versorgen konnte.
Und eigentlich endete damit auch schon die Stillbeziehung zwischen Krümel 1 und mir. Denn durch die Schmerzen hatte sich so ein starker Widerwille gegen das Stillen bei mir eingebrannt, dass ich einen erneuten Versuch scheute. Glücklicherweise konnte ich mir eine elektrische Milchpumpe leihen und musste nicht auf Pre-Milch zurückgreifen. Dennoch hatte ich eine fast schon panische Angst, dass meine Milch auf einmal nicht mehr reichen könnte. Also besorgte ich Pre-Milch, Fläschchen hatte ich ja eh im Haus. Nur zur Sicherheit. Man weiß ja nie.
Meine Hebamme ließ natürlich nicht locker, sprach mich immer wieder auf das leidige Stillthema an und versuchte mich dazu zu bewegen einen erneuten Versuch zu starten. Also ließ ich mich darauf ein und versuchte es einen Tag lang – und dies war der wohl schlimmste Tag in unserer noch so frischen Mutter-Tochter-Beziehung. Die kleine Maus wollte immer wieder an die Milchbar. an und für sich ja nicht schlimm. Blöd war nur, dass es sie so sehr anstrengte, dass sie nach wenigen Minuten wegschlief und zwar so tief, dass kein kitzeln, knuffen, ansprechen oder leichtes rütteln etwas an diesem Zustand änderte. Also abdocken und darauf warten, dass der Hunger größer wurde als die Müdigkeit, was nach jeweils kürzester Zeit auch wieder der Fall war. So ging das beinahe ohne Pause den ganzen Tag über. Das einzige, dass sich veränderte, war der Gemütszustand meiner Tochter, denn die wurde immer ungehaltener. Klar, würde ich auch, wenn mir jemand was zu Essen vor die Nase halten würde und jedes Mal wenn ich reinbeißen will, es mir wieder wegnimmt. Irgendwann abends hatten wir dann beide die Schnauze voll. Krümel 1 verweigerte die Brust und ich war auch mit den Nerven am Ende. Ich wärmte der hungrigen Maus Muttermilch auf, sie verschlang das doppelte von dem, was sie normalerweise als Flaschenmahlzeit zu sich nahm und schlief endlich satt und zufrieden ein. Damit hatte sich die Sache für mich erledigt und auch Krümel 1 hoffte vermutlich, dass ich sie nicht mehr mit der Milchbar malträtieren würde.
Den Grund für das Scheitern unserer Stillbeziehung, konnte mir keiner so wirklich erklären. Meine Hebamme beobachtete das Anlegen und anfängliche Saugen von Krümel 1 und meinte, das sähe ja eigentlich gut aus. Ich vermute, dass die kleine Maus einfach nicht wirklich was rausbekommen hat und die paar Tropfen, die sic bekommen konnte so viel Kraft kosteten, dass sie einfach dabei eingeschlafen ist. Vermutlich häng es auch damit zusammen, dass es die Anatomie meiner Milchbar dem Krümel auch nicht gerade einfach gemacht hat, Milch zu bekommen. Egal woran es gelegen haben mochte, dieser eintägige Versuch hat mir damals gereicht. Meine kleine Maus war eigentlich immer ein total zufriedenes Kind, schlief viel, war fröhlich wenn sie wach war und ließ sich eigentlich durch nichts so richtig aus der Ruhe bringen. An diesem einen Tag erlebte ich sie aber vollkommen anders, unzufrieden, gereizt und ständig am Weinen. Wenn es darum ginge, mein zufriedenes Kind gegen Miss Knötterprött einzutauschen, nur um Stillen zu können, war ich dazu nicht bereit. Lieber hatte ich ein fröhliches Flaschenkind als ein dauernöckeliges Stillkind. Hatte ich ein schlechtes Gewissen? Schon. Fragte ich mich ständig, ob ich nicht vielleicht noch mehr hätte tun können? Auch das. Ich tröstete mich aber mit dem Gedanken, dass ich eben weiter abpumpen würde und sie so ja trotzdem meine Milch bekommen würde. Und den Unfug, dass ich auf diese Weise keine innige Verbindung zu meiner Tochter aufbauen könne, glaubte ich glücklicherweise keine Minute.
So endete die Stillbeziehung zum ersten Chaoskind und ein (zeitlich befristetes) Leben als Milchkuh begann – doch das ist eine andere Geschichte…

Herzlichst
Deine JennyPenny